Am 23.06.2025 hatten wir, die Jahrgangsstufe 10 des Kurfürst-Balduin Gymnasiums Münstermaifeld die besondere Gelegenheit, die DDR-Zeitzeugin Frau Elke Schlegel kennenzulernen.
Elke Schlegel berichtet auf eindrucksvolle Weise von ihrem Leben in der ehemaligen DDR: von ihrer Kindheit, ihrer Verhaftung durch die Staatssicherheit, den Monaten in Haft bis hin zu ihrer Freilassung und Abschiebung in den Westen. Ihr Besuch war mehr als eine Unterrichtsstunde in Geschichte – er brachte uns die kommunistische Diktatur in der DDR so erschütternd nah wie es kein Geschichtsbuch je könnte.


Die Geräusche verfolgen sie bis heute: ein Schlüsselbund, ein Türknallen, ein Sirenenheulen. Für viele klingt das harmlos und alltäglich, für Frau Schlegel bedeuten sie Angst, Enge und Ausgeliefertsein. Jahrzehnte ist es her, dass sie in einem DDR-Gefängnis saß, an einem Ort an dem sie geschlagen, gedemütigt und ihrer Freiheit beraubt wurde.
Elke Schlegel, die 1958 in Jena geboren wurde, lebte in der damaligen sowjetischen Besatzungszone. Bereits in ihrer Schulzeit widerstrebte ihr die sozialistisch geprägte Erziehung durch die Freie Deutsche Jugend (FDJ). Teil der Erziehung war auch die staatliche Jugendweihe, bei der es hieß: “Sie werden heute in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen, die Welt steht Ihnen offen”. Schnell wurde ihr klar, dass die Welt vor allem durch den Mauerbau mit einhergehendem Reiseverbot sowie durch Einschränkung in der Berufswahl alles andere als offenstand.
Mit ihrem damaligen Lebensgefährten und gemeinsamen Kind stellte sie Anfang der 80er Jahre etliche Ausreiseanträge, da sie sich mit dem Unrechtssystem der DDR nicht identifizieren konnte. Gemeinsam mit ihrem Freund demonstrierte sie mit Regimegegnern des “weißen Kreises”. Nach bereits 8 abgelehnten Ausreiseanträgen bekamen sie und ihr Mann 1984 überraschenderweise die Ausreisegenehmigung. “Wir warteten mit gepackten Koffern, um abgeholt zu werden”, so Elke Schlegel.
Statt der erhofften Reise in den Westen stürmten Stasi-Mitarbeiter die Wohnung und verhafteten Elke Schlegel und ihren Freund. Sie durfte ihr Kind noch zu ihrer Mutter bringen und verabschiedete sich mit der ihres Erachtens größten Lüge ihres Lebens von ihrem Sohn “Ich gehe Dir was Schönes kaufen”.
Nach dreimonatiger Untersuchungshaft unter menschenunwürdigen Bedingungen wurde sie wegen versuchter Republikflucht, landesverräterischer Nachrichtenübermittlung und Zusammenrottung in einem Prozess zu 18 Monaten Haft in der Frauenzuchtanstalt in Hoheneck verurteilt.
“Ich habe den Glauben an die DDR verloren, dort drin”, sagt Frau Schlegel. Sie wog nach einigen Monaten Haft nur noch 38 Kilogramm und wurde wegen Haftunfähigkeit durch die Bundesrepublik Deutschland freigekauft, nachdem sich ihr Cousin aus Neuwied für diesen Freikauf eingesetzt hatte. Später wurde Elke Schlegel bewusst: “Ich war nur eingesperrt worden, um später wieder verkauft zu werden”.
Seit 1985 haben sie ihren Wohnsitz in Koblenz. Noch heute leidet Frau Schlegel unter der psychischen Belastung ihrer DDR- Vergangenheit wie z.B. ihrem Verfolgungswahn.
Die Schulgemeinschaft dankt Frau Schlegel für ihren ausführlichen Zeitzeugenbericht an unserer Schule. Die Schülerinnen und Schüler der Stufe 10 waren von ihrem Bericht emotional berührt. Durch Frau Schlegels Aufarbeitung der Geschichte wird deutlich, dass Demokratie nicht selbstverständlich ist. Das wiedervereinigte Deutschland ist geprägt durch die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland sowie der Deutschen Demokratischen Republik.
“Vergessen ist menschlich, aber politisch gefährlich” – Elke Schlegel
Bericht: Marie Schwall, 10c