Erasmus+-Fortbildung zum interkulturellen Lernen im Fremdsprachenunterricht

Als deutsch-französische Lehrerin für Französisch und Englisch bin ich natürlich von Hause aus an Weiter- und Fortbildungen interessiert. Zusätzlich wurde mir das Interesse am grenzüberschreitenden Austausch quasi in die Wiege gelegt und ich habe als Lehrerin schon etliche Schülergruppen ins Ausland begleitet.

Anfang Februar dieses Jahres wird jedoch ein besonderes Ereignis anstehen – zum ersten Mal in seiner Geschichte wird das KuBaGym an einer Drittortbegegnung teilnehmen, die in Luxemburg stattfinden wird und von Erasmus+-Fördermitteln finanziert wird. Dafür wurden zehn deutsche Schülerinnen und Schüler der 9. Klassen und zehn gleichaltrige französische Partnerinnen und Partner aus Lothringen ausgewählt, die in Luxemburg im Rahmen verschiedener Workshops zum Thema „Europa und die europäische Identität“ ihren Erfahrungshorizont erweitern werden. Eine besondere Reise bedarf besonderer Vorbereitung…

Da bot sich die Institution Francophonia, die zweimal pro Jahr Französisch-Lehrerinnen und -Lehrern aus der ganzen Welt die Möglichkeit gibt, an Fortbildungen in Nizza teilzunehmen, perfekt an, um sowohl eine Fortbildung im Bereich des Französischunterrichts zum Thema Vermittlung einer interkulturellen Kompetenz zu absolvieren als auch die Drittortbegegnung in Luxemburg vorzubereiten. 

Fraternité, perspectives, enthousiasme et partage – diese 4 Begriffe bilden die Grundpfeiler der Francophonia-PhilosophieIn Zeiten internationaler Spannungen, weltweiter politischer Radikalisierungen und nachlassender Lernbereitschaft, auch was das Sprachenlernen leider angeht, erscheinen mir diese Schlagwörter ebenfalls sehr angebracht, um das kulturelle Interesse und die Lernbereitschaft bei Schülerinnen und Schülern zu fördern bzw. wieder zu aktivieren. (Französisch-)Lernenden weltweit im brüderlichen Umgang Perspektiven zu eröffnen und sie mit Enthusiasmus zum Austausch zu animieren – welch höheres Ziel kann man sich als Lehrkraft noch setzen?

Genehmigt – gebucht. Somit ging es für mich Mitte Januar für eine Woche an die wunderschöne Côte d’Azur, über der, auch wenn es gerade mal nicht Sommer ist, immer ein sommerliches Flair liegt. Am Sonntag Abend vor Beginn der Fortbildung wurden wir Neuankömmlinge herzlich von den Veranstaltern in einem Lokal empfangen. Es gab den ersten Austausch, das erste Plaudern unter Fachkollegen und das erste Probieren von lokalen Spezialitäten. Zu den vielen Lehrerinnen und Lehrern aus ganz Europa (Italien, Rumänien, Litauen etc.), die Teil meiner Gruppe waren, gesellten sich auch einige, die aus den USA oder sogar Kolumbien angereist waren, was meine Fachkolleginnen, -kollegen und mich wirklich zu einer bunten Gruppe machte.

Unser Wochenprogramm sah dann wie folgt aus: Morgens gab es immer ein Seminar, wo es u.a. darum ging, den Französisch-Unterricht zukunftsfähig (Thema: Umgang mit KI) und abwechslungsreich (Thema: Spiele und Filme im Unterricht) zu gestalten, wo es aber ferner darum ging, mit heterogenen und multikulturellen Lerngruppen umzugehen.

Uns wurden hierfür Werkzeuge und Techniken an die Hand gegeben, wie Lehrer die interkulturellen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler aufbauen und stärken können. In Bezug auf die oben erwähnte Fahrt nach Luxemburg  wurden Möglichkeiten aufgezeigt, wie Schülerinnen und Schüler die Hürden, die sich bei einer interkulturellen Begegnung zeigen, überwinden können.

Nachmittags standen dann kulturelle Aspekte der Region im Vordergrund. So wurden eine Stadtführung durch das alte Nizza, ein Ausflug ins Umland, der Besuch einer confiserie oder auch ein toller interkultureller Abend, an dem man sein Heimatland vorstellen durfte, angeboten. Am Ende dieser unterhaltsamen soirée interculturelle hatten wir Lehrkräfte lustige Kahoot-Spielchen gespielt, italienische Liedchen geträllert, einen rumänischen Gruppentanz geprobt, der französischen Übersetzung von Martin Luther Kings I have a dream-Rede gelauscht und ein solidaritätsbekundendes Lied für die Ukraine gesungen. 

Zwischen den einzelnen Arbeitssitzungen blieb auch noch Zeit, um gemeinsam die Stadt zu erkunden. Die Promenade des Anglais, nur eine Gehminute von unserem Konferenzraum entfernt, lud mit ihren vielen Lokalen zum Schlendern ein und die Place Masséna funkelte abends mit ihrem Riesenrad und ihren fluoreszierenden Statuen. „Nice is a very nice city!“, wie mein US-Kollege geistreich kommentierte – und ich konnte nur zustimmen. 

Die Woche war folglich sehr abwechslungsreich und der Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt ermöglichte uns einen Blick über den eigenen Tellerrand, d.h. über das eigene Bildungs-und Schulsystem hinaus und brachte uns auch die Erkenntnis, dass manches im eigenen Land gut und manches woanders besser läuft. Die Tatsache, dass ich als deutsch-französische Lehrerin am KuBaGym die Möglichkeit habe, im Rahmen von Erasmus+ an dieser Fortbildung teilzunehmen und dadurch von einer finanziellen Förderung profitieren darf, kann ich nur als Riesenchance bezeichnen, denn viele der Anwesenden hatten diese finanzielle Förderung nicht.

Am letzten Tag der Fortbildung tranken wir Teilnehmenden un verre de l’amitié, also ein Freundschaftsgläschen mit Veilchensirup. Wie der Gründer von Francophonia, Yann Librati, uns aufmunternd mit auf den Rückweg gab, „beginnt alles mit einer guten Lehrkraft“. „Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie stehen am Anfang jeder Karriere – sei es der eines Arztes oder der eines Richters oder der eines Wissenschaftlers – Sie sind das A und O für unsere Kinder und deren Zukunft.“ 

Fachlich und menschlich so aufgepäppelt fiel uns allen dann der Abschied in Nizza sehr schwer. Doch Francophonia ist mehr als eine einfache Fortbildungsstätte. Die Institution versteht sich als Netzwerk der Frankophonie, als eine Community engagierter, global agierender Lehrerinnen und Lehrern, die, wie man uns erzählte, auch nach dem Seminar meistens in Kontakt bleiben und zu allen Jahreszeiten in Nizza willkommen sind, denn – wie es der bei Francophonia vielzitierte Albert Camus wunderschön formulierte: „Au milieu de l’hiver, j’ai découvert en moi un invincible été.“ Darin versteckten die Dozenten bei Francophonia die Botschaft, dass man sich als Lehrkraft auch im „tiefsten Winter“ seine antreibende Kraft und die Lust am Unterrichten nicht nehmen lassen darf.

Julie Hahn